Autopoiesis als Begriff für die Eigenschaft von Systemen, sich selbst zu produzieren und zu erhalten
Der Begriff Autopoiesis wurde von den chilenischen Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela geprägt. Er beschreibt die Fähigkeit bzw. Eigenschaft eines Systems, sich selbst zu produzieren und zu erhalten.

Autopoiesis als Begriff für die Eigenschaft von Systemen, sich selbst zu produzieren und zu erhalten

Was ist Autopoiesis?

Der Begriff Autopoiesis wurde von den chilenischen Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela geprägt. Er beschreibt die Fähigkeit bzw. Eigenschaft eines Systems, sich selbst zu produzieren und zu erhalten. Ursprünglich in der Biologie entwickelt, hat sich das Konzept auf verschiedene Disziplinen wie Soziologie, Kommunikation und Organisationswissenschaften ausgeweitet (Vásquez & Benavente, 2016; Arnoldi, 2006).

Grundprinzipien der Autopoiesis

  • Selbstproduktion und -erhaltung: Autopoiesis beschreibt Systeme, die ihre eigenen Komponenten kontinuierlich und rekursiv erzeugen und integrieren, um als Einheit zu bestehen. Ein klassisches Beispiel ist die Zelle, die durch Stoffwechselprozesse ihre Bestandteile produziert und gleichzeitig ihre strukturellen Grenzen, wie die Zellmembran, aufrechterhält (Arnoldi, 2006; Zeleny, 2015).
  • Organisation vs. Struktur: Maturana und Varela unterscheiden zwischen der Organisation eines Systems, die dessen grundlegende Selbstorganisationsprozesse beschreibt, und der Struktur, die die spezifische Anordnung der Komponenten zu einem bestimmten Zeitpunkt darstellt. Diese Unterscheidung ist entscheidend für das Verständnis, wie autopoietische Systeme auf Veränderungen reagieren (Arnoldi, 2006).

Anwendungen und Erweiterungen

  • Soziologie und Kommunikation: In der Soziologie, insbesondere in der Theorie von Niklas Luhmann, wird Autopoiesis verwendet, um die Selbstkonstruktion sozialer Systeme zu beschreiben. Diese Systeme reproduzieren sich selbst durch Kommunikationsprozesse, die ihre Identität und Autonomie bewahren (Vásquez & Benavente, 2016; Cooper, 2006).
  • Wissensmanagement: Autopoiesis wurde auch auf das Wissensmanagement angewendet, wobei Parallelen zwischen der zyklischen Natur des organisationalen Lernens und autopoietischen Prozessen gezogen wurden. Trotz der Entdeckung von Gemeinsamkeiten gibt es auch wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen (Jackson, 2007).

Kritische Betrachtungen und Herausforderungen

Herausforderungen an den Darwinismus: Autopoiesis stellt eine konzeptionelle Herausforderung für den Darwinismus dar, indem es die Bedeutung von Selbstorganisation und -erhaltung betont, anstatt sich ausschließlich auf natürliche Selektion und genetische Reproduktion zu konzentrieren. Diese Perspektive hat jedoch auch epistemologische und empirische Herausforderungen, die ihre breite Akzeptanz einschränken (Escobar, 2011).
Kritik und Missverständnisse: In einigen Bereichen, wie dem Rechtssystem, wird Autopoiesis kritisiert, da es als zu geschlossen und selbstbezogen angesehen wird. Diese Kritikpunkte haben zu Missverständnissen geführt, die das Potenzial der Theorie in Frage stellen (King, 1993).

Zusammenfassung

Autopoiesis bietet ein tiefgreifendes Verständnis von Selbstorganisation und -erhaltung in lebenden Systemen und hat weitreichende Anwendungen in verschiedenen Disziplinen gefunden. Trotz ihrer Herausforderungen und der Kritik bleibt die Theorie ein wertvolles Werkzeug zur Analyse von Systemen, die sich selbst definieren und erhalten (Vásquez & Benavente, 2016; Arnoldi, 2006; Escobar, 2011).

Wissenschaftliche Untersuchungen – Studien

Vásquez, C., & Benavente, R. (2016). Revisiting Autopoiesis. Management Communication Quarterly, 30, 269 – 274. https://doi.org/10.1177/0893318915620492

Arnoldi, J. (2006). Autopoiesis. Theory, Culture & Society, 23, 116 – 117. https://doi.org/10.1177/026327640602300220

King, M. (1993). The Truth About Autopoiesis. Journal of Law and Society, 20, 218-236. https://doi.org/10.2307/1410168

Zeleny, M. (2015). What Is Autopoiesis ?. **.

Escobar, J. (2011). Autopoiesis and Darwinism. Synthese, 185, 53 – 72. https://doi.org/10.1007/s11229-011-9875-y

Cooper, R. (2006). Making Present: Autopoiesis as Human Production. Organization, 13, 59 – 81. https://doi.org/10.1177/1350508406059642

Jackson, T. (2007). Applying autopoiesis to knowledge management in organisations. J. Knowl. Manag., 11, 78-91. https://doi.org/10.1108/13673270710752126

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